Alsen als Tatort

„Polizeiruf 110“: Alsen als Tatort

Sonntagabend-Krimi morgen in der ARD: Entscheidende Szenen wurden in Itzehoe gedreht, vermutlich zum letzten Mal

shz, 18.02.2012

Ein Kommissar trägt seine schwer verletzte Kollegin zum Rettungswagen. Dramatische Szene vor dramatischer Ruinenkulisse – so beginnt morgen der „Polizeiruf 110“ zur besten Sendezeit in der ARD. Zuschauer aus der Region sollten genau hinsehen: Dieser Teil des Films wurde auf dem Alsen-Gelände gedreht.

Angeschossen: Kommissar Bukow trägt seine schwer verletzte Kollegin vor der Ruinenkulisse.
Foto: NDR/Christine Schroeder

„Es ist der Tatort“, sagt Regisseur Christian von Castelberg. Zwei Männer in Polizeiuniform überfallen in „Einer trage des anderen Last“ einen Gefangenentransporter, befreien den Gefangenen und erschlagen ihn. Die Kommissare Alexander Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) versuchen, sie zu stellen. Bei der Schießerei wird die Kommissarin lebensgefährlich verletzt. Sie wird in ein künstliches Koma versetzt. Bukow muss allein ermitteln.

Der Film spielt in Rostock, doch dort wurde nur ein kleiner Teil gedreht. Das Team kam aus Hamburg, deshalb seien in der Hansestadt und in der Umgebung gut erreichbare Drehorte gesucht worden, sagt von Castelberg. Alsen sei „hervorragend geeignet“ gewesen. Der Motiv-Aufnahmeleiter zeigte Fotos, „wir alle, Kamera und auch ich, waren begeistert. Es hat seine Dramatik.“ Zudem gebe diese Kulisse den nicht mit Rostock Vertrauten das Gefühl, dass seit der Wende noch nicht alles wieder aufgebaut worden sei, fügt der 57-Jährige lächelnd hinzu.

Auf diese Weise wurde das Alsen-Gelände oft genutzt. Für Serien wie „Doppelter Einsatz“, „Die Rettungsflieger“ oder „Stubbe“ sei dort ein- bis zweimal jährlich gedreht worden, sagt Setus Studt vom Verein „planet-alsen“. Man treffe oft dieselben Motivsucher wieder. Ein weiterer Vorteil: Es könne abgeschirmt von der Öffentlichkeit ohne Geräusche der Umgebung gefilmt werden. Wie immer ist Studt „gespannt, wie viel davon im Film zu sehen ist“.

Gedreht wurde bereits im vergangenen Mai, an einem einzigen Tag. „Wenn man da mal rausfährt, will man alles im Kasten haben“, erklärt von Castelberg. Zudem durfte mit der hochschwangeren Hauptdarstellerin Sarnau nur ein Tag im Freien gearbeitet werden, hinzu kam ein Tag für die Krankenhaus-Szenen. Am Schluss sei die Stimmung auf Alsen angespannt gewesen, sagt der Regisseur. Auf dem weitläufigen Areal sei die Kommunikation „auseinander gefleddert“. Der Film war zunächst 25 Minuten zu lang, er musste kürzen, auch die Alsen-Sequenzen. „Das Atmosphärische hat ein bisschen gelitten.“

Von Castelberg, in Berlin lebender Schweizer, nutzt die Zeit der „Berlinale“ für die Akquise neuer Jobs, zudem schreibt er an einer Komödie für das ZDF. Auf Alsen werden er und andere Regisseure kaum noch einmal drehen, meint Studt: „Das ist ein verstecktes Babelsberg, für das aber die Ära jetzt zu Ende ist.“ Viele Ruinen sind bereits abgerissen, jetzt laufen die Planungen für die Nutzung des Geländes. „Auf einer Baustelle werden die wohl nicht filmen. So planetenartig ist es nicht mehr, es ist eine Sternschnuppe geworden.“ Doch es gebe eine Verpflichtung, diesen Teil der Stadtgeschichte zu bewahren, betont Studt. „Deshalb ist es für uns als Verein ein unbedingtes Anliegen, diesen Ort als Ort zu erhalten.“

„Traurig“ findet von Castelberg den nahenden Verlust des Drehortes. Allerdings durfte er auf der Bahnfahrt zur Silvester-Feier in Heide feststellen: „Es ist noch alles da.“ Und wenn sein Film wirklich die letzte große Produktion auf dem Alsen-Gelände wahr, hat es für den 57-Jährigen auch etwas Positives: „Das kann kein anderer mehr in seinen Krimi packen.“

Lars Peter Ehrich