Täglich rollten die Kreidezüge

Vortrag auf dem Alsengelände am Freitag beleuchtet Geschichte der Kreidebahn / Eintritt frei – um Spenden wird gebeten

„Haben Sie bei einem historischen Vortrag schon mal Gänsehaut bekommen? Nein? Ich schon.“ Setus Studt, Vorstandsmitglied beim Verein „Planet Alsen“ kommt ins Schwärmen, wenn er über die Veranstaltung am Freitag, 19. August, in den Räumen des Kulturvereins auf dem Gelände der ehemaligen Zementfabrik spricht.

Ein „Highlight“ sei es, wenn Willi Breiholz über die Geschichte von Alsen spreche. „Er reiht nicht nur einfach Fakten aneinander, um Wissen zu vermitteln, sondern zeigt die Menschen dahinter und lässt die Geschichte durch kleine Geschichten lebendig werden“, so Studt. Breiholz habe mit vielen Zeitzeugen gesprochen und tolles Fotomaterial zusammengestellt.

Es ist bereits der dritte Vortrag von Willi Breiholz auf Alsen. Eigentlich war nur ein einziger zum 150. Geburtstag der Fabrik im Jahr 2013 geplant. Doch die Resonanz war so positiv, dass Breiholz 2014 einen weiteren Vortragsabend gestaltete und die Geschichte der Tonseilbahn näher beleuchtete. „Beim zweiten Mal waren schon fast 200 Leute da“, sagt Studt. „Damit hatten wir nicht gerechnet, wir haben mächtig Stühle geschleppt kurz vor Beginn.“

Heinrich Alsen fuhr extra zur Weltausstellung nach Wien

Nun hat sich der Ruheständler, der während seines Berufslebens Industrieanlagen für die Zementherstellung plante und bis vor neun Jahren für das Unternehmen Holcim in Lägerdorf tätig war, die Schmalspurbahn zwischen Itzehoe und den Lägerdorfer Kreidegruben als Thema gewählt. „Legende auf Schienen“ lautet der Titel unter dem Breiholz die Entwicklung der Bahn vorstellt. Und die ist reich an interessanten Fakten und Anekdoten. „Als Alsen im 19. Jahrhundert wuchs, war es ein anhaltendes Problem, genug Kreide für die Zementproduktion ins Werk zu bekommen. Die Kapazitäten von Pferdewagen waren schnell erschöpft“, erzählt Breiholz.

Die Lösung sei zunächst eine noch von Pferden gezogene Schmalspurbahn gewesen, die 1868 in Betrieb ging. Doch auch deren maximale Kapazität habe schnell nicht mehr ausgereicht, um das wachsende Zementwerk mit dem wichtigen Rohstoff Kreide zu versorgen. Nun sollte Hightech zum Einsatz kommen: Unternehmer Heinrich Alsen fuhr extra 1873 zur Weltausstellung nach Wien und fand dort seine „Traumlok“, 1879 ging die erste dampfbetriebene Werkseisenbahn in Betrieb. Probleme bereiteten zunächst die Behörden. Das Genehmigungsverfahren war lang, die Auflagen hoch. „Die Entwicklung lässt sich hervorragend nachvollziehen, weil Korrespondenz zwischen Heinrich Alsen und dem kaufmännischen Leiter des Werkes, Heinrich Wessel, überliefert ist“, sagt Breiholz.

Ein Mann konnte 30 Tonnen Kreide abkippen

Für die spätere Entwicklung der Kreidebahn konnte Breiholz bei seinen Recherchen dann auf Fotografien und für das 20. Jahrhundert auf ZeitzeugenBerichte zugreifen. Eine Menge RechercheArbeit sei nötig gewesen, aber das Thema faszinierend – wegen der vielen spannenden Details. „Zum Beispiel wurden KippWaggons eingesetzt, die 30 Tonnen Kreide fassten. Sie waren so geschickt gebaut, dass ein einzelner Arbeiter sie in kurzer Zeit entladen konnte – rein mechanisch, ohne Hydraulik oder andere Hilfsmittel.“, sagt Breiholz, der sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte der Zementherstellung in Itzehoe und Lägerdorf beschäftigt. „Man braucht ja was um die Ohren“, sagt der Rentner, der auch Werksführungen durch das aktive HolcimWerk in Lägerdorf anbietet.

Für den Abschluss seines Vortrages, der am Freitag um 19.30 Uhr in der alten EWerkstatt beginnt, verspricht der ZementExperte eine besondere Überraschung. Und er berichtet bereits von spannenden historischen Fakten, die aber wohl leider zeitlich nicht mehr in den aktuellen Vortrag passen werden – eine vierte Auflage der Reise in die Industriegeschichte Itzehoes ist also keinesfalls ausgeschlossen.

Delf Gravert