Kultur Ein fremder Planet

Glückstadt/sz (21. April 2007)

Viele Fotografen versuchen, die verrückten Geschehnisse der Welt auf Papier zu bannen – Setus Studt hat seinen eigenen Planeten gefunden, den er seit über 20 Jahren in beeindruckenden Aufnahmen festhält: „Planet Alsen – Innenwelt“ heißt seine neue Ausstellung in der Galerie Freiraum am Hafen. Die Laudatio hielt Peter Hertling.

Als kleiner Junge habe ich mich immer etwas vor der riesigen Zementfabrik
gefürchtet. Als sie dann geschlossen wurde, hat sie mich wie magisch angezogen“,
verrät der 53-Jährige.

Pter Härtling, Marc Melzer und Setus Studt Galerie Glückstadt
Peter Härtling, Marc Meltzer, Setus Studt

Und so fing er im Jahre 1985 an, das alte Gelände vor den Toren Itzehoes
zu fotografieren, ohne vorher jemals professionell fotografiert zu haben.
Er hat auf diese Weise sein Inneres durch seine Bilder nach Außen getragen,
um Dinge aus seinem Unterbewusstsein zu verarbeiten.

Die dabei entstandenen Fotos kommen ohne jegliche Effekte aus, vermitteln
dem Betrachter aber dennoch das Gefühl, auf einem anderen Stern gelandet
zu sein: So benutzt der gebürtige Itzehoer zum Beispiel gekonnt Pfützen, um
clevere Bildumkehrungen zu schaffen, die teilweise den Anschein entstehen
lassen, man hat ein Aquarell vor sich. Ein anderes Bild heißt „Space Hangar“
und scheint direkt aus einem „Science Fiktion“ Film zu stammen.
Die Fotos stellen das Alsengelände als Kultur- und Inspirationsfläche dar,
nicht als verfallene Ruine.

Und um nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren anzusprechen, hat
Setus Studts Gitarrenlehrer Marc Melzer einige Lieder zu den Bildern geschrieben:
„Ich habe ungefähr 50 Fotos mit nach Hause genommen und mich inspirieren lassen, je nachdem, ob das Bild eher ruhig oder dynamisch ist“, erzählt der Musiker. Zwei der Lieder – von der dabei entstandenen CD – stellte er den Besuchern der Vernissage jetzt vor.

Öffnungszeiten:
Mo. bis Sa. 10-18 und So. 14–18 Uhr. Ausstellung läuft bis 31. Mai.

Laudatio auf Setus Studt.

Natürlich macht es Menschen wie mich stolz, wenn sie gefragt werden – eine Laudatio zu halten.
Aber,  warum gerade ich?
Die erste Frage! Na klar warum nicht gerade ich! Die Antwort.Es gibt vieles das Setus und mich verbindet – in vielen Dingen sind wir einfach kongenial – ohne jemals darüber vorher geredet zu haben.

Seelenverwandtschaften nennen es –  so glaube ich – Esoteriker.
Ich bin mir sicher – und das soll der einzige Ausflug in die Technik der Fotografie sein – also, ich bin mir sicher, dass Setus die liegende Acht auf dem Schärfenring der Optik, ebenso wie ich, eher als einen liegenden Frauentorso interpretiert, als die Unendlichkeit zwischen Auflagemaß und Objekt.

Die Welt der Kunst – darunter auch die Welt der Fotografie – ist voll von Autodidakten. Wenn sie je etwas gelernt haben, dann ist es das Handwerk. Kreativ entwickelt haben sie sich dann, aus sich selbst heraus.
Und, gibt es nichts Größeres und Bleiberendes als das eigene Geschaffene: ohne Studium – ohne Meisterklasse – ohne gewählte Vorbilder.

Versuchen sie heute – ohne Hochschulabschluss in der Kulturindustrie Fuß zu fassen – der schleichende Hungertod ist ihnen sicher.
All das war Setus zum Beginn seiner Karriere wohl nicht bewusst – und wenn, zum Glück hat er es ja erfolgreich ignoriert.

Nun! Wer ist Setus Studt? Er ist vor allem ein GEBORENER Itzehoer. Ich benutze bewusst den Begriff GEBORENER und nicht GEBÜRTIGER.
Natürlich ist er in Itzehoe zur Welt gekommen. Im vergangenen Jahrhundert.

Nur, die GEBÜRTIGEN sehe ich eher als die die alles eher als selbstverständlich sehen, die Bequemen, die Zufriedenen mit dem was da ist –
bitte nicht abwertend zu verstehen.
Ich gehöre ja selbst zu den GEBÜRTIGEN.

Die GEBORENEN dagegen, das sind für mich die Bewahrer der unsichtbaren Wurzeln, die Dankbaren für das Gegebene, aber auch die NEU Gestalter von alten Umwelten.

Setus ist im wahrsten Sinne des Wortes ein bildender Künstler. Das er dazu eine Kamera und nicht Leinwand und Pinsel benutzt, mag wohl daran liegen, das er all die Metamorphosen auf seinem Planten anders nicht erhalten kann. Setus liebt die Menschen – sonst würde er ihnen seine Bilder nicht zeigen – Setus kennt aber auch die Menschen die, bequem wie sie sind, über Dinge hinweg sehen – sie damit vergesslich und überflüssig machen, bis dann plötzlich nicht mehr da sind.

Und jetzt bin ich beim Zentralgestirn von Setus – auf seinem Planeten Alsen.
Ich habe versucht mich einzulesen in das was Journalistenkollegen mit dem  PLANETEN verbinden.
Ich hab’s irgendwann gelassen und hab’ mich verlassen auf das was Setus – wie Sternenstaub – in mein Hirn geblasen hat (hauchte).

Ganz vieles davon ist bei mir hängen geblieben – hat Spuren hinterlassen:
Begeisterung für Vergängliches in der Gegenwart – oder auch Gegenwärtliches in der Vergangenheit. (4’)
Oder lassen wir die Gegenwart einfach außen vor und sagen:
SETUS VERGANGENHEIT DER ZUKUNFT IST JETZT!

Und deshalb kämpft er mit seiner Kamera gegen Ignoranz – Bequemlichkeit – Opportunismus und kleingeistiges Denken.
Das, was Setus und seine Kunst, seine FOTOGRAFIK will – ist die geschäftsmäßige GEGENWART außer Kraft zu setzen, um dem Vergangenen eine ZUKUNFT zu ermöglichen.

Er kämpft mit seiner Kamera ganz in der Tradition des großen russischen (sowjetischen) Dokumentarfilmers Dziga Vertow – der die Kamera eine Waffe nannte.

Dass dieser Kampf mit dem reinen Ablichten allein nicht gewonnen werden kann, zeigt uns Setus hier mit seinen Bildern.
„Die Bilder sind Zeugnisse einer Reise durch mein selbst.“
Sagt Setus und führt uns – transsubjektiv – jeneseits unseres Bewusstseins.
Er gibt Himmel, Erde, Wasser und Licht ganz neue Bedeutungen.
Er bestimmt wie wir seine Bilder zu sehen haben.
Er stellt Räume auf den Kopf und unsere Wahrnehmung damit auf ganz neue Beine.
Sonst nehmen wir die Wirklichkeit nur wahr durch die Filter unserer Sinne – das ist wissenschaftlich belegt, das lehre ich auch aus Überzeugung und das gilt wohl für uns alle hier.
Nur, Setus hat und davon bin ich überzeugt – Setus hat Filter, die wir alle nicht haben.
Einmalige autistische Filter – wie sonst hätte er in dieser alltäglichen – auf den ersten Blick eher unschönen Trümmer- und Mülllandschaft einen wundervollen PLANETEN entdecken können?
Ich kenne das Gelände genauso lange wie er und hab nichts darin entdeckt.
Ich tue es jetzt durch seine Bilder.
Ich sehe plötzlich Wirklichkeiten die nicht Wahr sind oder auch Wahrheiten die nicht wirklich WIRKLICH sind.
Nichts ist da wo es hingehört – alle schwebt – ist irgendwie durchsichtig.
Farbe ist Farbe, ist Farbe, ist Farbe!
So wie ein großer französischer Filmemacher einmal sagte:
Eine Rose ist eine Rose, eine Rose, eine Rose!
*
Meine Damen und Herren liebe Freunde – nehmen Sie sich Zeit für die Bilder, die Fundstücke von Setus Studt – lassen Sie sie da wo sie sind und stellen Sie sie bitte nicht auf den Kopf.
Setus – vielen Dank für Deinen Planeten Alsen – vielen Dank für ein Stück WUNDERBARE Irrealität im DUNKLEN Universum unserer alltäglichen Realität.

Meine Damen und Herren liebe Freunde, ich bin bewusst nicht auf einzelne Bilder und deren Deutung eingegangen – ich wollte ihnen das einmalige Erlebnis des Entdeckens nicht nehmen.

Machen sie jetzt einen kleinen Schritt in die Ausstellung – es ist ein großer Schritt in eine neue, unbekannte, faszinierende Welt. Die Welt des Setus Studt.

…. Ich wünsche Ihnen eine weiche Landung auf dem Planeten Alsen.

Peter Härtling