Ruinen, Schotterhaufen, keine geordnete Wegeführung – Teile des Itzehoer Alsengeländes sind alles andere als ein Aushängeschild für die Stadt. Als förmliches Sanierungsgebiet soll sich das ändern. Von Andreas Olbertz
„Das ist ein wertvolles Stück Industriekultur, das wir unbedingt erhalten müssen“, stellte Karl-Heinz Zander (Grüne) klar. Über das Alsengelände gab es in der Itzehoer Ratsversammlung auch keine zwei Meinungen. Trotzdem werden große Teile der Fläche von der Öffentlichkeit als imageschädigender Schandfleck wahrgenommen. Rainer Lutz (Dafi) sprach es aus: „Da gibt es doch nur noch Rudimente.“ Das Gelände verwahrlose und sei „untergenutzt“.
Das soll sich zukünftig ändern. Damit auf dem Gelände der Neubau für die Polizeidirektion errichtet werden kann, wurde bereits ein Bebauungsplan auf den Weg gebracht. Mit einem teilräumlichen Entwicklungskonzept (Trek) wurden die zukünftigen Nutzungsschwerpunkte des Geländes herausgearbeitet – Behördenstandort und Kultur sowie Events. Jetzt wurde der nächste Schritt beschlossen. Der etwa fünf Hektar große Teil des Geländes im Besitz der Stadt wurde jetzt förmlich zu einem Sanierungsgebiet erklärt. Das eröffnet die Möglichkeit, für Projekte besser an Fördermittel zu kommen.
Wild wuchernde Natur schützen
Lutz machte in der Ratsversammlung gleich deutlich, welche Schwerpunkte er für das Gelände sieht. Der Schornstein müsse unbedingt erhalten werden. „Es ist der letzte von mal ganz vielen“, sagte der Ratsherr. Qualmende Schornsteine seien mal Symbole für laufende Wirtschaft gewesen. Zudem erhoffe er sich von der Sanierung eine Verbindungsfunktion zwischen Stadt und dem Wellenkamp. Außerdem mahnte Lutz: „Es gibt da einen sich entwickelnden, wilden Baumbestand. Das muss nicht alles sofort gefällt werden.“
Lediglich die Elektrowerkstatt und das Magazin auf dem Grundstück sind nicht verfallen – sie werden vom Verein Planet Alsen bewirtschaftet und instand gehalten. Allerdings gibt es zwischen dem Verein und der Stadt einen langen Streit, der vor Gericht ausgefochten wurde, aktuell wird über einen Mietvertrag verhandelt. Lutz forderte: „Wir brauchen ein vernünftiges Aufeinander-Zugehen, sonst macht das alles keinen Sinn.“
Offenbar sahen die anderen Ratsmitglieder das genau so. Ohne weitere Diskussion wurde der Beschluss gefasst, dass städtische Grundstück zum Sanierungsgebiet zu erklären.
Leserbrief zum Artikel „Vom Schandfleck zur Oase“ über das Alsengelände vom 04. Juni
Zum Bericht über das Ratsversammlungsthema Stadtumbaugebiet Alsen erreichten mich, da ich im BUND-Steinburg das Projekt begleite, verschiedene irritierte Anrufe. Auch mich hat an der Diskussion die geballte Sammlung von Vorurteilen und die fortgesetzte Verkennung des hohen Naturwerts im Alsengelände sehr befremdet. Da ist die Rede von: Schandfleck, Verwahrlosung, untergenutzt, verfallen, wilder Baumbestand.
Mit zwei ausführlichen Stellungnahmen zur Überplanung des Alsengebiets, mehreren Naturexkursionen und einer Zeitungsveröffentlichung haben wir versucht, Kenntnisse über diesen Artenhotspot in die Öffentlichkeit zu tragen. Hierbei bleibt das Projekt Polizeidirektion für uns unstrittig wegen der Vorbelastung durch den bestehenden hohen Versiegelungsgrad. Besonders und schützenswert ist die Fläche südlich davon.
Systematische Erfassungen der Botanik-AG des Heimatverbands haben dort einen aktuellen Bestand von 254 verschiedenen Pflanzenarten ermittelt, der sich immer noch erweitert. Davon sind 36 Pflanzenarten sog. Rote-Liste-Arten. Im Gebiet „Alsen“ sind entsprechend mehr als die Hälfte der für das Itzehoer Stadtgebiet festgestellten 502 Arten Höherer Pflanzen (Büro Schober & Co, 1988) vertreten.
Der Grund für diesen erfreulichen, dem allgemeinen Artenschwund entgegenlaufenden Bestand liegt in der weitgehend unbeeinflussten Entwicklung über vier Jahrzehnte auf einem Mosaik vielfältiger Standorte. Diese südliche Fläche ist ein schützenswertes Naturkleinod und sollte auch so öffentlich dargestellt werden.
Der „sich wild entwickelnde Baumbestand“, von dem „nicht alles sofort gefällt werden“ muss, ist gesetzlich geschützter Wald, der stehen bleiben und sich weiter prächtig entwickeln soll mit dem gesetzlich geforderten Waldabstand. – Auch das sollte öffentlich gesagt werden.
Der immer gerne vorgetragene Kulturbegriff ist unglaubhaft und inhaltsleer, denn die Planungen sehen bebaubare Flächen vor für Einzelhandel (bis je 300 m3) und Autoverkauf (bis je 1000 m3). Das ist Shopping- und ADAC-Kultur, nicht das, was auf dem Planet Alsen verfolgt wird und sich entwickeln sollte. Wo bleibt die Unterstützung für ein angedachtes Graffiti-Museum, vielleicht kombinierbar mit einem IZ-Industriemuseum? – Wo bleiben in der öffentlichen Debatte diese Gedanken?
Lothar Wittorf, BUND-Steinburg